Irgendwie muss man sich die Zeit beim Kaffeemalen vertreiben, und in den letzten Wochen half mir dabei vor allem eines: Don Alphonsos Rebellen ohne Markt. Angenehm häufig lästert er dort, nicht unbedingt außergewöhnlich abwechslungsreich, doch mit einem angenehmen Stil, vor allem über Elite-Studis, die New-Economy und Berlin - irgendwie hilft mir die tägliche Dosis Zynismus beim Wachwerden.

Einen Roman zu diesen Themen (abzüglich Berlin) hat er auch geschrieben, yadda yadda yadda, Büchergutschein, yadda, und außerdem ist es gebunden, also kann man das riskieren, denn im schlimmsten Fall kann man noch Leute damit hauen, mit einem Taschenbuch geht das nicht. Nicht so gut.

Große Literatur ist es nun wirklich nicht, aber angenehm zu lesen, und gerade das zählt ja, wenn man gerade eine Erkältung bekämpft. Die Charaktere sind flach und bis auf eine Ausnahme zutiefst unsympathisch und hassenswert - glücklicherweise geht ein großer Teil im Lauf des Buches drauf. Die relativ einfache Handlung ("drei Typies killen sterbende Dotcoms, um das Geld ihres Chefs zu befreien und machen sich dabei Feinde") stört nicht weiter, was mir gefallen sind vor allem Stil und Atmosphäre. Überraschenderweise sterben die Dotcom-Klitschen allesamt relativ schnelle Tode, nur wenige Seiten, die langwierigen Recherchen bleiben einem erspart. Ansonsten treiben die Protagonisten durch langsam zerbröselnde Munich-Area, werfen sich Drogen verschiedener Art ein, haben unspektakulären Sex und sterben. Oder auch nicht, aber im Großen und Ganzen ist das ziemlich egal.

Ich mag dieses Buch, auch wenn der Don ein besserer Blogger als Romancier ist, aber wenn ich's nicht billiger bekommen hätte würde ich mich vielleicht ärgern (genaugenommen 10 Cent billiger, das ist das, was von meinem Gutschein nach dem anderen Buch noch übrig war und nicht verfallen durfte). Und nun, im Anschluss, etwas positiveres: William S. Burroughs, Nova Express. Trilogie fertig kriegen und so...

Nachtrag: Der Burroughs schlägt auf meinen Stil durch, allerdings nicht durch simple Kühlschrank/Milch/Geruch-Kausalitäten.

Donnerstag, 16. Dezember 2004, 22:16, von erdferkel in Bedrucktes Papier |comment

 
Das Schlimme ist: Nicht die Charaktere sind flach, die Vorbilder und auch ich selbst waren so flach, dumm und banal, und das Schlimmste ist: man weiss, dass es falsch ist und dass man auch anders sein könnte, aber man ist es einfach nicht.

Gute Besserung :-)

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Sowas in der Art hatte ich fast befürchtet. Es blieb aber die ganze Zeit ein gewisser Unglaube in der Art "so hinüber, kaputt, abstoßend banal können die doch nicht sein". Das ist wahrscheinlich auch gut so, das abstrakte Wissen über die NE ist für mich auch so schon lehrreich und hässlich genug. Um an das ganze Ausmaß der Hässlichkeit zu glauben muss man diese wohl direkt erlebt haben, aber glücklicher wird man dadurch nicht. Höchstens erfahrener.

Und - danke. ;-)

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Ich mein, schau sie Dir doch an: Jung, unerfahren, meistens nie wirklich was Schlimmes erlebt, und dann kommt einer und gibt ihnen Macht und Geld und verlangt keinerlei Verantwortung. Das Ergebnis sind dann eben hohle, flache Charaktere - nur, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet, wenn man mit ihnen Essen geht und was unterneimmt, fängt man trotzdem an, sie zu mögen.

Btw, wer von denen soll eigentlich sympathisch sein?

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David. Vielleicht nicht unbedingt sympathisch, aber der einzige aus dem Haufen, der mich nicht dazu brachte, entnervt aufzustöhnen oder die Augen zu Decke zu drehen und auch sonst nicht so himmelschreiend unsympathisch. Vielleicht behandle ich ihn da zu gnädig, aber ihm kann ich seine Macken eher verzeihen. Allerdings ist er natürlich im Vorteil: Nicht so jung, erfahrener und am Ende auch stärker. Nur dass er selbstreferentiell wird und sich als Literatur erkennt, das habe ich ihm übelgenommmen.

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Das reale Vorbild von David war jemand, der genau verstand, was er da anrichtete. Er war jemand, der nachdachte, überlegte, und sich bewusst für das Falsche entschied. Wenn man ihn gefragt hat, warum zum Teufel er das macht, sagte er oft: Was soll´s, ist doch nur ein schlechter Film, was wir hier machen. Deshalb die Selbstreflektion im Buch.

Wie auch immer, ich mag den feigen Peter und die zynische Claudia und ihre Unsicherheit lieber. Obwohl, eigentlich mag ich sie auch nicht, aber ihre realen Vorbilder waren im Kern sehr schwach, und das lernt man irgendwann zu schätzen.

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Ich hatte das die ganze Zeit als eine Art "breaking the 4th wall" verstanden und als eine Art geschriebene Abrechnung mit den gewissenlosen Spieleherrstellern interpretiert. Nun, da lag ich falsch, und aus diesem Blickwinkel betrachtet verliert er an Sympathie. Massiv. Peter wollte ich zuerst eigentlich mögen, aber dann ging er mir auf die Nerven. Bei Romanfiguren ist das für mich unverzeihlich.

Das mit David ist dann wieder so ein Fall von "versteht man besser, wenn man dabei war", aber das liegt in der Natur der Sache. Außerdem kann ich mich wirklich nicht beschweren, immerhin bekomme ich hier Detail-Erklärungen aus erster Hand. So sehr postmodern bin ich dann doch nicht, dass ich die Deutungshoheit des Autors komplett untergraben will.

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